Fehlende Offenheit von Menschen ohne Behinderung

von | Nov 3, 2021 | Interviews | 0 Kommentare

Vielen Menschen sind die Themen Behinderung, Sexualität und Partnerschaft wichtig. Wir haben in den letzten Wochen und Monaten mit vielen Personen und Vereinen darüber gesprochen. Dabei haben wir tolle Menschen kennengelernt. Wir möchten euch von diesen Menschen erzählen.

Kurzversion in einfacher Sprache

In diesem Artikel geht es um Lisa. Lisa ist 27 Jahre alt und eine Frau. Lisa sitzt im Rollstuhl.

Lisa redet über die Themen Behinderung und Sexualität.

Sie hat beim Online Dating nur Männer kennengelernt, die vor allem Sex wollen.

Sie hat immer wieder nur die gleichen Männer angezeigt bekommen. Das hat sie genervt.

Manche Männer haben sie gefragt, ob sie mit ihrer Behinderung überhaupt Sex haben kann. Sie hat es ihnen erklärt.

Lisa will, dass Menschen ohne Behinderung offen für das Thema Sexualität und Behinderung sind. Sie möchte, dass darüber geredet wird.

Auch Menschen mit Behinderung wollen Beziehungen führen und Sex haben. So wie alle anderen auch.

Lisa erzählt über ihre Arbeit im Seniorenheim und dass auch alte Menschen (noch) sexuelle Bedürfnisse haben.

Lisa, eine 27 jährige Frau redet offen über ihre Behinderung und Sex. Bei Onlinekontakten über die Dating App Lovoo, bekam sie oft die Frage gestellt, ob Sie überhaupt Sex haben könnte. Denn Lisa sitzt im Rollstuhl und ihre Füße sind gelähmt. Lisa stört es nicht, diese Fragen zu beantworten. Ihr ist es wichtig, dass auch Menschen ohne Behinderung mehr über dieses Thema erfahren.

Turtel: Lisa, welche Erfahrungen hast du mit Online-Dating gemacht? 

Lisa: Also ich habe mich mal auf Lovoo angemeldet. Man findet da nicht viel, nur Menschen, die halt nur an Sexualität interessiert sind und nichts Festes wollen. Aber ich glaube, das bezieht sich nicht nur auf Menschen mit Behinderung. Also ich muss sagen, ich hatte schon Erfolge mit den Bildern und so. Mit dem, was ich gepostet und was ich über mich erzählt habe. Ich habe sogar auch eine gute Freundschaft dadurch gewonnen. Aber es gibt wirklich auch Vollidioten da. Aber das lag an deren Charakteren und nicht an meiner Behinderung.

Turtel: Hast du dort Erfahrungen mit Diskriminierung gemacht? 

Lisa: Diskriminierung habe ich da jetzt nicht unbedingt festgestellt. Aber die Algorithmen sind so eingestellt, dass man immer nur die gleichen Leute findet. Also wenn ich geswiped habe, hatte ich immer die gleichen Leute. Irgendwann war das voll langweilig, weil ich hatte ja keinen Bock auf die. Ich hab sie dann weggewischt. Aber sie kamen immer wieder. Und dann hab ich irgendwann gesagt: „Komm, jetzt löschst du das Ding. Ich habe ja jetzt wieder jemanden in meinem Leben.“ Und bei Lovoo hat sich da nichts wirklich ergeben. Aber diskriminiert wurde ich nicht, außer halt das mit dem Algorithmus, dass immer die gleichen Leute kommen.

Turtel: Und wie war das mit dem Thema Sexualität?

Lisa: Manche haben tatsächlich gefragt: „Wie geht das?“ oder „Kannst du das überhaupt?“ Dann hab ich denen einfach erklärt, dass das ganz normal klappt, wie bei jedem anderen auch.

Turtel: Was möchtest du gerne aus deiner Sicht Menschen ohne Behinderung mitgeben?

Lisa: Sie sollen offen sein gegenüber Menschen wie mir und einfach fragen, wenn es was zu fragen gibt oder wenn sie etwas interessiert. Gerade in Bezug auf Sexualität. Weil was ich im Laufe der Zeit festgestellt habe, ist, dass behinderte Menschen sich gar nicht unbedingt abgrenzen. Also die Gesellschaft grenzt sie ab. Aber sie selbst wollen sich gar nicht abgrenzen. Sie sind voll offen für so was. Ich habe ja auch Freund:innen oder Kolleg:innen im Rollstuhl, mit denen ich Kontakt pflege und das sind genauso offene Menschen wie jeder andere Mensch auch. Also nicht nur „Läufer“ sind mega offen. Man muss die Menschen einfach so gut man kann informieren. Und am besten geht das eben durch jemanden, der selbst behindert ist. Der kann das am besten erklären, weil er in der Situation ist. Das Allerwichtigste ist es mit den Tabus zu brechen. Ganz einfach!

Turtel: Du meinst damit, dass über Sexualität und Behinderung offen gesprochen werden soll?

Lisa: Ja. Nur weil jemand beeinträchtigt ist – aufgrund eines Unfalls oder einer angeborenen Behinderung oder alt oder dement ist oder wie auch immer – geht dieses Bedürfnis von Sexualität nicht einfach weg. Man sollte mutig sein, was das angeht, egal ob behindert oder nicht!

Turtel: Du meinst, dass es „normal“ wird nachzufragen oder auch, dass es mehr Wissen in der Gesellschaft über diese Themen geben soll?

Lisa: Ja, das ist auf jeden Fall nötig. Es gibt beispielsweise ja auch Menschen, die gelähmter sind als ich. Und es ist ja nicht so, als hätten wir nicht alle irgendein sexuelles Bedürfnis. Genauso wie bei mir auf der Arbeit im Seniorenheim. Man denkt immer, die Omis und Opis haben keine sexuellen Bedürfnisse mehr. Aber wenn mal einer dement ist und dann in dieses Jugendalter zurückkommt, dann sind oft alle Hemmungen weg. Also was ich im Seniorenheim schon alles erlebt habe (lacht). Da war eine Seniorin und eine Kollegin hat gefragt ob sie starke Schmerzen hätte, weil sie so laut gestöhnt hat. Ich habe dann gesagt, dass sie alles andere als Schmerzen hat und wahrscheinlich gerade eine gute Zeit hat (lacht).
Es heißt nicht, dass wenn Menschen Mobilitätsstörungen bekommen oder von Anfang an nicht so können wie sie wollen, deren Sexualität nicht vorhanden ist. Ich glaube, dass die Leute viel mehr darüber Bescheid wissen müssen. Wir sollten alle als sexuelle Wesen begriffen werden, ob im Rollstuhl oder im höheren Alter.

Turtel: Vielen Dank für deine Offenheit und Zeit Lisa.

→ Wenn du Interesse hast mit Lisa über das Thema zu sprechen, wende dich gerne an uns und wir connecten euch.

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„Love on the Spectrum“, Staffel 2 – ein Kommentar

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In diesem Beitrag geht es um die Sendung “Love on the Spectrum”.
Hier werden Menschen mit Autismus beim Dating begleitet.
Sie bekommen Hilfe durch Freund:innen. Durch ihre Familie. Und durch einen ”Beziehungs-Coach”.
Es ist gut, dass es so eine Sendung gibt.

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